Yin und Yang

Als Yin und Yang bezeichnen wir die beiden Kräfte, die aus der Teilung des Ur-Chaos hervorgegangen sind. Sie sind die beiden Aspekte von Qi, unserer Lebensenergie. Sie ergänzen und bedingen sich gegenseitig, ohne Yin kein Yang, und umgekehrt. Alles Leben entsteht nur durch die Existenz dieser beiden gegensätzlichen Kräfte. Allerdings ist ihre Polarität relativer Natur und einem ständigen Wandel unterlegen.

Als Yin-Energie bezeichnen wir die nährende Energie, ihre Bewegungsrichtung verläuft von der Erde in den Himmel. Als Yang-Energie beschreiben wir die Energie, die eine verteilende Ausrichtung hat. Sie verläuft vom Himmel in die Erde. Als Yin bezeichnen wir das Vermögende, die Potenz, während Yang das Verwirklichte darstellt. Das weiter unten gezeigte Tai-Chi-Zeichen stellt diese Beschaffenheit und das Zusammenspiel von Yin und Yang in optimaler Weise dar:

Ein harmonisch geschlossener Kreis, der in zwei ebenbürtige Hälften geteilt ist, eine weiße und eine schwarze. Die Trennungslinie zeigt durch ihre schwungvolle elegante Führung die Möglichkeit der Bewegung an. Beide Hälften tragen in sich, jeweils in ihrem größeren und dickeren Ende, einen kleinen Punkt der jeweils anderen Hälfte eingezeichnet. Wenn das Yang seinen höchsten Punkt erreicht hat, in diesem Moment der Stille, gebiert es aus sich heraus schon das Yin, und umgekehrt.

Beispiele für Yin und Yang

Ein ausgeprägter Yin-Zustand ist der Tiefschlaf. Es ist der kurze Moment, bevor wir die Augen öffnen, die Stille, die mit dem ersten Blinzeln in den Wachszustand führt, das Yang. Gleichwohl kennen wir im Schlaf verschiedene Yin- und Yang-Phasen. Die Nacht wandelt sich in den Tag und der Tag in die Nacht. Umgekehrt kann man in einem Zustand höchster Aktivität von einer Yang-Dominanz sprechen. Desgleichen finden sich in jedem Ding, in jedem Lebewesen, in jedem Zustand und in jedem Wandel die Qualitäten von Yin und Yang wieder.

Wenn Yin weich ist, ist Yang hart, wenn Yin kalt ist, ist Yang heiß, ist Yin schattig, so zeigt sich Yang als sonnig…diese Liste lässt sich bis ins Unendliche weiterführen. Oft wird Yin auch als passiv, Yang dagegen als aktiv beschrieben. Da diese Zuschreibungen in unserer Kultur einer starken negativ/ positiv-Bewertung unterliegen, sind sie nicht sehr geeignet, um Yin und Yang zu erklären. Aber ich denke, man kann sich vorstellen, dass es keinen reinen Yin- und keinen reinen Yang-Zustand gibt.

Das stärkste und feurigste Yang lässt aus sich heraus schon das Yin entstehen, so wie das dichteste und ruhigste Yin in sich schon das aufkeimende Yang birgt. Beide Zustände bedingen sich gegenseitig. Das eine existiert nicht ohne das andere. Der beständige Wandel von Yin und Yang zeigt sich in den 5 Wandlungsphasen, bzw. 5 Elementen, wie ich sie später noch beschreiben werde.

Yin und Yang in ihrer Anwendung

Wir können die verschiedenen Qualitäten des Qi in seinen beiden Aspekten, Yin und Yang in seinen äußeren Erscheinungsbildern beobachten. Dabei unterstützt uns das Konzept der 5 Elemente, welches ein wunderbares Erklärungsmodell für die Grundlagen unserer Shiatsu-Praxis darstellt. Die 5-Elemente zeigen auf, welche Bereiche mehr Yin, welche mehr Yang sind, und wie sich diese Qualitäten in den Energie-Leitbahnen verhalten. Aus fernöstlicher Sichtweise verstehen wir unter Gesundheit die Harmonie von Yin und Yang. Daher ist es leicht zu verstehen, warum das Ziel jeder Gesundheitspraxis, und auch im Shiatsu darin besteht, diese beiden Kräfte auszugleichen. Das Konzept von Yin und Yang verweigert sich unserer westlichen dualen Weltsicht. Es gibt nicht gut oder schlecht. Aber es gibt stagnierendes Yin oder angestautes Yang. Dies gilt anzuerkennen, und daraus zu lernen, um es aufzulösen, und der natürlichen Bewegung des Wandlungsflusses zuzuführen.